Der Ärztemangel ist ein ernstes Problem. Trotz steigender Zahlen von Ärztinnen und Ärzten kann die medizinische Versorgung nicht ausreichend sichergestellt werden. Warum ist das so?
Die Schweiz verzeichnete im vergangenen Jahr einen Anstieg der Zahl der Ärztinnen und Ärzte um 2,3 Prozent. Trotz dieser positiven Entwicklung bleibt der Fachkräftemangel ein drängendes Problem. Die Ärztedichte beträgt aktuell 4,6 Ärztinnen und Ärzte pro 1000 Einwohner.. Insgesamt arbeiteten letztes Jahr 41’100 Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz, was 35’488 Vollzeitäquivalenten entspricht. Besonders in der Grundversorgung ist die Ärztedichte mit 0,8 Vollzeitäquivalenten pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohner alarmierend niedrig.
Die Ärztestatistik der Ärzteverbindung FMH zeigt, dass über die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz in Praxen tätig sind, während 44,8 Prozent im Spitalsektor und 1,6 Prozent in anderen Bereichen arbeiten.
Die Herausforderungen sind vielfältig: eine alternde Ärzteschaft, eine hohe Abhängigkeit von ausländischen Fachkräften und zu wenig Ausbildungsplätze. Diese Faktoren tragen dazu bei, dass der Ärztemangel trotz steigender Ärztezahl weiterhin ein drängendes Problem bleibt.
Ein Blick auf die Altersstruktur der Ärzteschaft in der Schweiz zeigt ein beunruhigendes Bild. Im vergangenen Jahr war jede zweite berufstätige Ärztin 50 Jahre alt oder älter. Das Durchschnittsalter der Schweizer Mediziner liegt laut der FMH-Statistik bei 49,9 Jahren. Noch alarmierender ist, dass ein Viertel der berufstätigen Ärztinnen und Ärzten 60 Jahre oder älter war. Diese Altersverteilung bedeutet, dass viele der aktuell praktizierenden Ärzte in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen werden, was die Situation weiter verschärft.
Diese bevorstehenden Pensionierungen stellen eine erhebliche Herausforderung dar. Die Schweiz wird vor grossen Schwierigkeiten stehen, wenn es darum geht, die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten.
Zahl der ausländischen Ärzte
Fast die Hälfte der in der Schweiz tätigen Ärzte stammt aus dem Ausland. Dies verdeutlicht die starke Abhängigkeit der Schweiz von ausländischen Fachkräften. Der grösste Teil dieser ausländischen Ärzte kommt aus:
Diese Abhängigkeit birgt Risiken. Sinkt die Zuwanderung, so würde dies den Ärztemangel weiter verschärfen. Seit 2013 ist der Anteil der ausländischen Ärzte um 170 Prozentpunkte gestiegen, was zeigt, wie sehr die Schweiz auf diese internationalen Fachkräfte angewiesen ist.
Die Schweiz bildet weniger als die Hälfte der benötigten Ärzte aus, was zu erheblichen Versorgungsengpässen führt. Im Studienjahr 2023/24 gab es nur 2531 Studienplätze für medizinische Studiengänge im ersten Semester.
Arbeitsbedingungen
Die Arbeitsbedingungen für Ärzte in der Schweiz sind oft unattraktiv. Zu den belastenden Faktoren gehören:
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für viele Ärzte schwer zu realisieren. Es fehlen Motivationsanreize, insbesondere in der Grundversorgung wie Allgemeinmedizin oder Kinderheilkunde. Diese Faktoren tragen dazu bei, dass viele Medizinstudierende ihre praktische Ausbildung wieder abbrechen möchten oder viele junge Ärzte bald nach einer Alternative suchen.
Abwanderung ins Ausland
Eine weitere Ursache des Ärztemangels könnte dereinst auch die Abwanderung ins Ausland sein. Verbesserte Bedingungen in den Nachbarländern könnten dazu führen, dass Mediziner gar nicht erst in die Schweiz kommen oder diese verlassen. Diese Abwanderung verschärft die Situation zusätzlich und macht es noch dringlicher, attraktive Bedingungen für Ärzte in der Schweiz zu schaffen.
Die Überalterung der Gesellschaft erhöht auch den Bedarf an medizinischer Versorgung. Strenge Numerus-Clausus-Bedingungen für das Medizinstudium und fehlende Ausbildungsplätze tragen ebenfalls zur Problematik bei. Hinzu kommen lange und unregelmässige Arbeitszeiten, die viele Ärzte dazu veranlassen, den Beruf frühzeitig zu verlassen.
Die Corona-Pandemie hat die Situation weiter verschärft, indem sie zu Personalfluktuationen führte, die nicht kompensiert werden konnten. Diese Kombination von Faktoren hat dazu geführt, dass der Ärztemangel trotz steigender Zahlen von Ärzten und Ärztinnen ein drängendes Problem bleibt.
Der Ärztemangel in der Schweiz hat weitreichende Auswirkungen auf das Gesundheitssystem. Überlastete Notfallstationen und längere Wartezeiten sind nur einige der sichtbaren Folgen. Patienten müssen oft mehrere Stunden warten, bevor sie behandelt werden können, was die Qualität der Versorgung erheblich beeinträchtigt.
Teilzeitmodelle und verkürzte Arbeitszeiten könnten das Problem weiter verschärfen, da mehr Ärzte für die gleiche Anzahl an Stellen benötigt werden.
Überlastung der Hausärzte
Hausärzte in der Schweiz, insbesondere in ländlichen Regionen, sind besonders überlastet. Die Praxisdichte auf dem Land nimmt ab, wodurch die ländliche Bevölkerung ins nächste Spital ausweichen muss. Dies führt dazu, dass Routineuntersuchungen auf den Notfall verlagert werden, was die Notfallstationen zusätzlich belastet.
Viele Hausärzte nehmen aufgrund der Überlastung keine neuen Patienten mehr auf. Der administrative Aufwand und der Mangel an flexiblen Arbeitsmodellen tragen zur Überlastung bei. Die Grundversorgung leidet darunter, und ein Drittel der Schweizer Hausarztpraxen kann keine neuen Patienten mehr aufnehmen.
Wartezeiten und Versorgungsengpässe
Diese Engpässe in der Versorgung sind eine direkte Folge des Ärztemangels und erfordern dringende Maßnahmen, um die Situation zu verbessern.
Um den Ärztemangel zu bekämpfen, setzt die Schweiz auf eine Mischung aus Bildungsinitiativen, attraktiven Arbeitsbedingungen und der Integration ausländischer Ärzte. Diese Massnahmen zielen darauf ab, mehr Ärztinnen und Ärzte auszubilden, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Abhängigkeit von ausländischen Fachkräften zu verringern.
Besonders wichtig ist die Ausbildung von Hausärztinnen und Hausärzten, da diese eine zentrale Rolle in der Grundversorgung spielen. Attraktive Arbeitsbedingungen wären ein weiterer entscheidender Faktor, um den Beruf für Ärzte interessant zu gestalten und den Ärztemangel zu lindern.
Erhöhung der Ausbildungszahlen
Die Schweizer Regierung hat ein Anreizprogramm im Wert von 100 Millionen CHF gestartet, um die Kantone bei der Erhöhung ihrer Ausbildungskapazitäten in der Humanmedizin zu unterstützen. Diese Massnahmen sollen dazu beitragen, die Abhängigkeit von im Ausland ausgebildeten Ärzten zu reduzieren, indem die heimischen Ausbildungskapazitäten erhöht werden. Die blosse Erhöhung der Anzahl der Medizinabsolventen reicht jedoch nicht aus; es muss auch sichergestellt werden, dass genügend Fachärzte zur Verfügung stehen.
Eine bessere Work-Life-Balance und flexible Arbeitsmodelle könnten dazu beitragen, den Beruf des Arztes attraktiver zu gestalten. Politische Maßnahmen zur Förderung einer besseren Work-Life-Balance könnten dazu führen, dass mehr Ärzte im Beruf bleiben und nicht frühzeitig in den Ruhestand gehen.
Die Arbeitsbedingungen für Ärzte in der Schweiz sind bereits durch gut geregelte Arbeitszeiten und klare Überstundenrichtlinien gekennzeichnet. Dennoch sind zusätzliche Fortbildung und Unterstützung dringend notwendig, um den Beruf attraktiver zu machen.
Über ein Drittel der Ärzte in der Schweiz stammt aus dem Ausland. Zulassungsbeschränkungen im ambulanten Bereich verhindern jedoch oft, dass ausländische Ärzte – auch aus der EU – in der Schweiz arbeiten können.
Die Schweiz hat daher Initiativen gestartet, um die Anerkennung ausländischer medizinischer Abschlüsse zu erleichtern und die Integration von internationalen Ärzten zu fördern.
Eine Studie von PWC prognostiziert, dass in der Schweiz bis 2040 etwa 5’500 Ärzte fehlen werden. Der Bedarf an medizinischem Personal wird wegen demografischer und epidemiologischer Veränderungen stark zunehmen. Diese zukünftigen Herausforderungen erfordern innovative Lösungen und langfristige Strategien.
Technologische Innovationen und politische Massnahmen sind entscheidend, um den Ärztemangel nachhaltig zu bekämpfen. Die Schweiz muss ihre Ausbildungskapazitäten erhöhen, die Arbeitsbedingungen verbessern und die Integration ausländischer Ärzte erleichtern, um den Bedarf an medizinischer Versorgung zu decken.
Die Digitalisierung kann helfen, den administrativen Aufwand im Gesundheitswesen zu reduzieren. Digitale Patientenakten und telemedizinische Anwendungen können die Effizienz im Gesundheitswesen erhöhen und die Patientenversorgung verbessern.
Technologische Innovationen wie künstliche Intelligenz und Robotik könnten zukünftig neue Therapieansätze und Diagnostikmethoden bieten. Diese Technologien könnten das Gesundheitspersonal entlasten, indem sie Routineaufgaben automatisieren und damit Zeit für komplexere Aufgaben freimachen.
Langfristige Strategien und politische Massnahmen sind zur nachhaltigen Bekämpfung des Ärztemangels in der Schweiz entscheidend. Um diesem Mangel entgegenzuwirken, ist eine umfassende Strategie notwendig, die folgende Aspekte berücksichtigt:
Der Bundesrat plant, diese Massnahmen umzusetzen, um den zukünftigen Bedarf an Ärzten zu decken.
Der Ärztemangel in der Schweiz ist ein komplexes und dringendes Problem, das vielfältige Ursachen hat. Überalterung der Ärzteschaft, unzureichende Ausbildungsplätze, herausfordernde Arbeitsbedingungen und eine hohe Abhängigkeit von ausländischen Ärzten tragen alle zu dieser Situation bei. Die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem sind gravierend: Überlastete Notfallstationen, längere Wartezeiten und eine unzureichende Grundversorgung sind nur einige der Folgen.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sind umfassende Maßnahmen erforderlich. Dies umfasst die Erhöhung der Ausbildungszahlen, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Integration ausländischer Ärzte. Technologische Lösungen und langfristige Strategien können ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Entlastung des Gesundheitssystems leisten. Es liegt an uns allen, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten und die Zukunft unseres Gesundheitswesens zu sichern.